Die rasante Entwicklung künstlicher Intelligenz (KI) bringt nicht nur Innovationen, sondern auch rechtliche Herausforderungen mit sich – insbesondere in der Frage: Wer haftet, wenn etwas schiefläuft?
In diesem Beitrag geben wir einen Überblick über die aktuelle Rechtslage (Stand: Juli 2025) und zeigen auf, wie sich das Haftungsrecht durch die neue EU-Produkthaftungsrichtlinie ändern wird.
1. Aktuelle Rechtslage: Haftung nach BGB und Produkthaftungsgesetz
Haftung nach dem BGB
Das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) enthält keine speziellen Vorschriften zur Haftung bei KI – dennoch greifen die allgemeinen Regeln:
- Verwender haftet: Wer KI-generierte Inhalte nutzt (z. B. Unternehmen auf Websites oder in Marketingmaterialien), trägt die Verantwortung.
- Keine Haftung der KI selbst: Künstliche Intelligenz ist kein Rechtssubjekt.
- Haftung des Herstellers: Nur bei mangelhafter Beschaffenheit oder fehlender Sicherheit der KI kann der Hersteller in Anspruch genommen werden.
Praxisbeispiel:
Ein Plattformbetreiber veröffentlichte mittels KI-generierter Auswertung öffentlich zugänglicher Registerdaten fälschlich die Löschung eines Unternehmens. Das Landgericht Kiel (Urt. v. 29.02.2024) entschied: Der Betreiber haftet, da er sich die fehlerhafte KI-Auswertung „zu eigen gemacht“ hat.
Wichtig: Ein bloßer Disclaimer („Die KI kann Fehler machen“) schützt nicht vor Haftung.
Haftung nach dem Produkthaftungsgesetz
Noch ist unklar, ob KI-Systeme als „Produkt“ im Sinne des § 2 ProdHaftG gelten. Aktuell tendiert die Rechtsprechung dazu, Software nicht als Produkt einzustufen. Damit ist eine Produkthaftung derzeit meist ausgeschlossen – aber nicht mehr lange.
2. Das neue Haftungsregime: Die Produkthaftungsrichtlinie (ab 2026)
Die am 18. November 2024 veröffentlichte neue Produkthaftungsrichtlinie (ProdHaftRL) muss bis Ende 2026 in deutsches Recht umgesetzt werden – mit tiefgreifenden Folgen für Unternehmen, die KI entwickeln oder einsetzen.
Was ändert sich konkret?
✅ Software = Produkt
KI-Systeme und -Modelle gelten künftig eindeutig als Produkt – Hersteller haften für Fehler.
✅ Beweislastumkehr
In vielen Fällen wird zugunsten der Geschädigten vermutet, dass das Produkt fehlerhaft war und den Schaden verursacht hat. Hersteller müssen das Gegenteil beweisen.
✅ Substanzielle Änderungen = volle Haftung
Betreiber und Anbieter haften auch dann, wenn sie KI-Systeme nachträglich verändern – z. B. durch Updates, Finetuning oder neue Prompts.
✅ Verlängerte Fristen
Die Haftungsfrist steigt auf bis zu 25 Jahre – vor allem bei sich ständig weiterentwickelnden KI-Systemen wird eine lückenlose Dokumentation entscheidend.
3. Was aus der KI-Haftungsrichtlinie wurde
Die geplante KI-Haftungsrichtlinie (KI-HaftRL) sollte spezifische Regeln für Hochrisiko-KI einführen. Doch sie ist vorerst vom Tisch:
Am 11. Februar 2025 erklärte die EU-Kommission das Vorhaben offiziell für gescheitert – es fehle die politische Einigung.
4. Was Unternehmen jetzt tun sollten
🔍 Risiken analysieren
Prüfen Sie, ob und wie Ihre KI-Systeme haftungsträchtig sind – auch bei scheinbar „harmlosen“ Anwendungen.
📄 Dokumentation optimieren
Wer später haftet, muss heute dokumentieren: Trainingsdaten, Änderungen, Sicherheitsbewertungen.
🔧 Produktpflege überdenken
Auch Updates oder kleinere Anpassungen können als „substantielle Modifikation“ gelten – mit voller Haftung.
Fazit
Noch greifen allgemeine zivilrechtliche Grundsätze – aber mit der neuen Produkthaftungsrichtlinie wird es ernst für alle, die KI entwickeln, einsetzen oder vertreiben. Unternehmen müssen ihre Prozesse rechtzeitig anpassen, um nicht in die Haftungsfalle zu tappen.
Proaktiv handeln statt später haften – das ist die Devise für den sicheren Umgang mit KI.